Die Tabernakel sind zweifellos ein Charakteristikum der alten Straßen von Florenz: Sie sind rund 1200, aus verschiedenen Zeiten und Stilrichtungen, und in einigen Fällen sind sie betrachtenswerte Kunstwerke.
Die Stadtviertel des Oltrarno haben die Zerstörungen der Sanierung weniger erlitten, welche im 19. Jahrhundert die Altstadt umgestaltete und bewahren daher noch heute zahlreiche Tabernakel.
Geschichte
Die Römer errichteten oft am Rand der Straßen kleine Tempel und Altäre mit Darstellungen von Gottheiten, welche die Straße und die Reisenden beschützen sollten, und diese Tradition wurde nach der Bekehrung zum Christentum fortgeführt.
In Florenz bekam dieser Typ sakraler Achitektur ab 1200 ein großes Gewicht: Der Kampf zwischen Katholikern und Ketzern (den sogenannten «Patarini») war in der Stadt sehr heftig, und die Katholiker begannen unter der Führung von Pietro da Verona, die Ketzerei nicht nur mit Predigten sondern auch mit Bildern zu bekämpfen. Diese religiösen Bilder wurden an Fassaden, an Geschäften und öffentlichen Gebäuden gehängt. Sie vermehrten sich schnell und schon am Anfang des 14. Jahrhunderts stellten sie verschiedene Subjekte dar und wurden als Altäre benutzt. Nach dem Gottesdienst legte man Kerzen und Lichter bei den Bildern, die auch während der Nacht für das richtige Glauben zeugen sollten - und als Straßenlampen dienten. Während der Seuche im Jahre 1348 wurden einige Tabernakel in echte "Freiluft-Kirchen" verwandelt, weil man Versammlungen in geschlossenen Räumen vermeiden wollte.
Seit dem 15. Jahrhundert begannen Zünfte, Klöster, religiöse Gesellschaften und private Bürger, auch berühumte Künstler mit Bildern zu beauftragen, welche Glauben (doch aber auch Macht und Reichtum) zeugen sollten. An den Seiten großer Verbindungsstraßen wurden Tabernakel mit Darstellungen der thronenden Madonna gebaut, welche die reisenden beschützen und begleiten sollte. Werke berühmter Künstlern waren aber für vielen zu teuer: Die wichtigeren Künstlerwerkstätte (wie zum Beispiel die von Donatello und der della Robbia) begannen eine Serienproduktion von Figuren in Terrakotta oder Keramik, und im 18. Jahrhundert wurden auch Drücke produziert. Diese billigen Bilder ermöglichten vielen einfachen Bürgern, einen Tabernakel bauen zu lassen.
Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden in der Altstadt zahlreiche Kirchen, Türme und Paläste zerstört, um den Platz für neue Straßen und Plätze zu schaffen; es wurden daher auch viele Tabernakel zerstört, ihre Kunstwerke wurden aber in vielen Fällen vom Antikensammler Stefano Bardini gerettet, der sie im heutigen Bardini-Museum versammelte.
Nach dem zweiten Weltkrieg hat man begonnen, die Tabernakel zu studieren und zu schätzen, und ab 1950 sind viele von ihnen restauriert worden.
Bilder
Bilder von einigen Tabernakeln des Oltrarno, welche eine gute Idee der verschiedenen Typen und Stilrichtungen vermitteln können:
Via S. Spirito, Ecke mit Via del Presto di S. Martino
Steintabernakel (17. Jahrhundert) mit Statue der Madonna (19. Jahrhundert).
Gutes Beispiel barocker Tabernakeln: Die Gipsstatue der Madonna ist wahrscheinlich an der Stelle einer älteren Statue gestellt worden.
Unter der Madonna befindet sich das Wappen der Familie Vettori Capponi, die einst das Gebäude besaß, auf dessen Fassade der Tabernakel hängt.
Dieser Tabernakel wurde 1998 restauriert, dank einer Initiative von Geschäftsinhabern.
Piazza Santo Spirito, Ecke mit Via delle Caldaie
Holztabernakel (19. Jahrhundert) mit einer Kopie (19. Jahrhundert) nach dem Perugino.
Der Tabernakel befindet sich auf dem Palazzo der Familie Dati, deren Wappen noch heute an der Ecke des Palastes zu sehen ist.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ein Flachrelief des 15. Jahrhunderts erwähnt, das den Tabernakel schmückte (eine Madonna mit dem kinde); dieses Kunstwerk ist verschollen und wurde 1909 mit dem Bild ersetzt, das heute zu sehen ist. Das Gemälde ist eine Kopie nach einem Werk, das in der Palatina-Galerie ausgestellt ist.
Via Santa Monaca, Ecke mit Via dei Serragli
Steintabernakel mit Fresko (Anfang des 14. Jahrhunderts).
In den Lebensläufen des Vasari liest man, daß der Fresko (Madonna mit dem Kinde und den heiligen Paulus und Hieronymus) von Bicci di Lorenzo gemalt wurde. Zwischen den Heiligen ist eine kleine knieende Figur erkennbar, welche den Auftraggeber des Freskos darstellt.
Der Tabernakel überlebte die zahlreichen Umgestaltungen, die im Laufe der Zeit den Palazzo veränderten, auf dem er gestellt ist; im 19. Jahrhundert hat man unter dem Fresko eine Inschrift zugefügt: «M. Lorenzo Bicci malte im Jahre 1427».
Via del Leone, Ecke mit Via della Chiesa
Tabernakel mit Fresko (erste Hälfte des 14. Jahrhunderts).
Dieser Fresko war fast völlig vergessen worden und blieb hinter einem Gitter versteckt, bis er um 1900 wiederentdeckt und im Jahre 1908 restauriert wurde.
Der Tabernakel war der "Madonna der Seuche" gewidmet, und wurde möglicherweise aus Dankbarkeit nach dem Ende der Seuche im Jahre 1348 errichtet. Ursprünglich befand er sich in Piazza Santo Spirito (woher er im 18. Jahrhundert hier gebracht wurde), und der Fresko wird Giottino (tätig um 1365-70) oder Nardo di Cione zugeschrieben.
Der Fresko wurde 1958 aus dem Tabernakel entfernt und restauriert; man fertigte auch eine perfekte Kopie davon an, die heute an der Stelle des Originals zu sehen ist.
Via d'Ardiglione, Ecke mit Via Santa Monaca
Steintabernakel aus dem 19. Jahrhundert.
Gutes beispiel eines Tabernakels aus dem 19. Jahrhundert, mit Rahmen in Sandstein und Gitter mit einem religiösen Bild: In diesem Fall handelt es sich um ein Terrakotta-Medaillon nach dem della Robbia Art, mit der Madonna mit dem Kinde.
Via San Miniato, Ecke mit Via dei Bastioni
Steintabernakel mit Fresko aus dem 17. Jahrhundert
Bei diesem Tabernakel ist die reiche Rahmendekorierung zu beachten. Der Fresko stellt die Thronende Madonna dar und stammt aus dem frühen 17. Jahrhundet.
Der Tabernakel wurde 1980 restauriert und war einst mit einem geschnitzelten Holztür versehen, die vor einigen Jahren entfernt worden ist.